CD-Labor für Sedimentforschung und -management

Scientist of the Month: Christoph Hauer und Sedimente im Fluss

27.03.2024: Flüsse sind vieles: Wasserstraßen für die Schifffahrt, Energiequelle für Wasserkraftwerke und nicht zuletzt komplexe, sensible Ökosysteme. Ihre ausgewogene Bewirtschaftung ist daher eine besondere Herausforderung.

Worum es geht

Flüsse transportieren Steine und feines Material, was aus ihrem Einzugsgebiet abgetragen wird (oft aus Gebirgsregionen, aber auch im Zusammenhang mit der Bodenerosion aus der Landwirtschaft): In vorindustrieller Zeit würden diese Feststoffe und Sedimente im Stile eines Förderbands teils im Flussbett verteilt werden und teils nach und nach ins Meer fließen.

In der Gegenwart lagern sie sich aber an "Barrieren" wie Wasserkraftwerken ab, wodurch sie anderswo im Fluss fehlen und zu ungewollten Eintiefungen in der Wasserstraße führen, und verschleißen zugehörige Turbinen durch Abrieb. Dies macht kostspielige Gegenmaßnahmen der den Fluss bewirtschaftenden Unternehmen notwendig und stört gleichzeitig sein empfindliches ökologisches Gleichgewicht.

Die Forschungsfrage: Technische, ökologische und ökonomische Optimierung

Es gilt also herauszufinden, welche Möglichkeiten des Sedimentmanagements es für die Unternehmen gibt, um nachhaltig Kosten zu minimieren, ohne dabei ökologische Schäden anzurichten. Dabei stellt sich auch die Frage, was der Fluss selbst an Sedimenten benötigt: Die Funktion der Sediment-Dynamik, welche Lebensräume (Habitate) formt und die Flusslandschaften prägt, muss gewährleistet bleiben.

Drei Säulen stützen dieses Vorhaben des CD-Labors: Erstens Feldarbeit, die auf gemeinsam mit den Unternehmenspartnern definiertem Handlungsbedarf basiert, um unerwünschte Ablagerungen direkt vor Ort zu untersuchen. Zweitens Experimente, im Zuge welcher Bewegungen im Fluss sehr kleinskalig betrachtet werden, um zur Verbesserung des Prozessverständnisses beizutragen. So können mehrere Fragen beantwortet werden, z.B. "Was sind die Ursachen für die Bewegungen von Sedimenten?" oder "Können Organismen bei bestimmten Feinsediment-Ablagerungen noch überleben?" Die dritte Säule, welche sich auch aus den Erkenntnissen der ersten beiden speist, besteht schließlich in der Entwicklung von Prognosemodellen zur Abschätzung der ökonomischen und ökologischen Folgen von Maßnahmen, noch bevor sie überhaupt gesetzt wurden.

Die Kooperation im CD-Labor

Aufgrund der vielfältigen und doch verwandten Richtungen, aus denen die Unternehmenspartner kommen, wird eine große Bandbreite von Expertise und Ressourcen in das CD-Labor eingebracht: Einerseits im Bereich von Turbinen und Wasserkraftwerken, andererseits bezüglich der Wasserstraßen-Funktion von Flüssen, und schließlich noch im Zusammenhang mit ökologischen Aspekten. So entsteht eine Synergie, die in enger Abstimmung zwischen Unternehmen und CD-Labor auch der Feldarbeit im Zusammenhang mit all diesen Themen sehr zugutekommt, wovon wiederum alle Seiten profitieren.

Ergebnisse: Schwebstoffe, Sedimente und Schwall

Drei neue Modelle für Prognosewerkzeuge wurden entwickelt: Erstens ein 3D-Schwebstoff-Modell zur Messung der Konzentration feiner Sedimente, die durch Wasserkraftwerke mobilisiert wurden. Ein zweites Modell widmet sich der durch Sediment-Ablagerungen entstehenden "Verlandung" der Stauräume von Kleinwasserkraftwerken und den Folgen für die Zustände von Stauraum und Ökologie. Und das dritte Modell befasst sich mit Sunk und Schwall bei Wasserkraftwerken, also den Abflussschwankungen, die beispielsweise entstehen, wenn bei hohem Stromverbrauch größere Wassermassen über die Turbinen gelassen werden: Der Wasserstand kann sich dadurch mehrmals täglich deutlich ändern, weshalb das Modell verbleibende Rückzugs-Habitat für Fische bewerten soll.

Insgesamt konnte das CD-Labor ganz neue Monitoring-Standards in Bezug auf Fließgewässer und Speicheranlagen definieren: Für deren Umsetzung wird auch ein neuer, öffentlich einsehbarer und verständlich aufbereiteter Arbeitsbehelf für Sedimentmanagement in Wasserkraftanlagen mit großem ökologischem wie ökonomischem Potential verfasst. Und auch im Prozessverständnis gab es massive Fortschritte: So wurden etwa experimentell erstmals Visualisierungen durchgeführt, die auf Basis kleinskaliger Turbulenzen sogar die Bewegungen einzelner Steine zeigen!

Wissenschaftliche Herausforderung

Woher kommen die Sedimente genau? Wohin bewegen sie sich und warum? Wie ändert sich ihr Verhalten im Zusammenspiel mit Wasserkraftwerken, Turbinen und modernen Schiffen im Vergleich zu den Gegebenheiten, die herrschten, als der Fluss noch industriell unberührt war? Und wie kann all dies möglichst genau für ein Sedimentmanagement vorhergesagt werden, das gleichzeitig Kosten der Flussbewirtschaftung reduzieren und das natürliche Ökosystem des Flusses unterstützen soll? Fragen wie diese machen das Vorhaben des CD-Labors zu einer höchst komplexen, interdisziplinären Angelegenheit.

Mehrwert für die Unternehmen

Ablagerungen von Steinen und Sedimenten sowie Abrieb durch diese verursachen hohe Kosten für Unternehmen, etwa bei Entfernung und Deponierung unerwünschter Ablagerungen in Kraftwerk-Stauräumen: Zum Start des CD-Labors 2017 mussten 10-20€ pro Kubikmeter aufgewandt werden, heute eher 20-30€. Auch die Instandhaltung von Turbinen und der Schifffahrtsstraße selbst fällt kostspielig aus, ganz abgesehen von den für die Einhaltung ökologischer Vorgaben notwendigen Investitionen (etwa bzgl. Richtwerten für Dauerbelastungen durch Kraftwerk-Spülungen oder Eintiefungen des Flussbetts). Verbesserte Prognosewerkzeuge für effizientes Sedimentmanagement haben somit Potential für massive Kostensenkungen und gleichzeitige Vorbeugung ökologischer Schäden.

Leitung

Priv.Doz. DI Dr. Christoph Hauer

Universität für Bodenkultur Wien

Laufzeit

01.10.2017 - 30.09.2024

Unternehmenspartner

Andritz Hydro GmbH , Voith Hydro GmbH & Co KG , Verein für Ökologie und Umweltforschung , via donau - Österreichische Wasserstraßen - Gesellschaft mbH

Christian Doppler Forschungsgesellschaft

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